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Großungarn, Jobbik und die FPÖ

Es war im Jän­ner 2010. Heinz-Chris­­ti­an Stra­che emp­fing eine Dele­ga­ti­on der rechts­extre­men „Jobbik“-Partei aus Ungarn, der außen­po­li­ti­sche Spre­cher der FPÖ, Johan­nes Hüb­ner und der Wie­ner Gemein­de­rat Johann Gude­nus, reis­ten nach Buda­pest zur Job­­­bik-Wahl­­­kampf­auf­­tak­t­­ver­­an­stal­­tung. Hüb­ner durf­te dort eine Gruß­adres­se vor­tra­gen, die ihm der par­la­men­ta­ri­sche Mit­ar­bei­ter Karl Eggl über­setzt hat­te. Wor­um ging es bei den Kon­tak­ten zwi­schen der […]

29. Sep 2010

Wor­um ging es bei den Kon­tak­ten zwi­schen der FPÖ und Job­bik, einer offen ras­sis­ti­schen, anti­se­mi­ti­schen und mit para­mi­li­tä­ri­schen Gar­den aus­ge­stat­te­ten Par­tei? Um die „Ver­tie­fung der Bezie­hun­gen“ (FPÖ) , „um eine Alli­anz“ (wie sie Job­bik will) oder schlicht um die Zusam­men­ar­beit auf EU-Ebe­ne, im Euro­päi­schen Par­la­ment, wo bei­de Par­tei­en in der rechts­extre­men Schmud­del­ecke stehen?

Job­bik und die Unga­ri­sche Gar­de haben offen anti­se­mi­ti­sche und ras­sis­ti­sche Grund­po­si­tio­nen, die nicht nur auf T‑Shirts zum Aus­druck kom­men. Akti­vis­ten der Unga­ri­schen Gar­de mar­schie­ren nicht nur immer wie­der pro­vo­kant durch Roma-Sied­lun­gen, son­dern wer­den auch für Mord­ak­tio­nen ver­ant­wort­lich gemacht.

Was in Öster­reich weni­ger bekannt ist: Job­bik und die Unga­ri­sche Gar­de tre­ten ganz offen für Gros­sun­garn ein und wol­len die Revi­si­on der Ver­trä­ge von Tria­non: „Das Frie­dens­dik­tat von Tria­non ist für uns unak­zep­ta­bel, wir wol­len sei­ne Revi­die­rung und die Ver­ei­ni­gung der unga­ri­schen Nati­on in einem Vater­land aktiv vor­an­trei­ben.“ (zitiert nach: pusztaranger.wordpress.com)


Gros­sun­garn nackt

Im Ver­trag von Tria­non 1920, der tat­säch­lich ein Dik­tat der Alli­ier­ten war, wur­den gro­ße Tei­le des alten Ungarn auf die Nach­bar­län­der auf­ge­teilt. Deutsch-West­un­garn, das heu­ti­ge Bur­gen­land, war schon vor­her in den Frie­dens­ver­trä­gen von St. Ger­main Öster­reich zuge­spro­chen wor­den. Durch eine Volks­ab­stim­mung im Jahr 1921 wur­de schließ­lich ent­schie­den, dass Sopron (Öden­burg) bei Ungarn bleibt. Geschicht­lich inter­es­sant dabei ist, dass die öster­rei­chi­schen Rech­ten und Rechts­extre­men in gutem Kon­takt zum Hor­thy-Regime in Ungarn stan­den, ja sogar von die­sem finan­ziert wur­den, um die Ren­ner-Regie­rung zu stürzen.


Gros­sun­garn (in Far­ben die abge­tre­te­nen Gebie­te, gelb: Burgenland)

Die Grenz­zie­hung zwi­schen Öster­reich und Ungarn, die spä­tes­tens 1924 abge­schlos­sen wur­de, war in den letz­ten Jahr­zehn­ten bei bei­den Sei­ten kein The­ma. Job­bik brach­te das The­ma Großun­garn ganz mas­siv in die unga­ri­sche Innen­po­li­tik zurück. Auch Ver­tre­ter der unga­ri­schen Regie­rungs­par­tei Fidesz, seit den Wah­len 2010 mit einer abso­lu­ten Mehr­heit aus­ge­stat­tet, for­dern mitt­ler­wei­le eben­falls die Revi­si­on der Tria­non-Ver­trä­ge und wol­len den 4. Juni (Tag der Unter­zeich­nung des Ver­trags) zum „Tag der natio­na­len Ein­heit“ erklären.

In der extrem natio­na­lis­tisch und ras­sis­tisch auf­ge­la­de­nen Debat­te in Ungarn spie­len Gebiets­an­sprü­che gegen­über Öster­reich auch heu­te kei­ne Rol­le. Die neue Fidesz-Regie­rung hat ein Gesetz zur Dop­pel­staats­bür­ger­schaft beschlos­sen, das allen im Aus­land leben­den Ungarn, die zumin­dest einen unga­ri­schen Vor­fah­ren haben bzw. die unga­ri­sche Spra­che beherr­schen, das Recht auf die unga­ri­sche Staats­bür­ger­schaft zuspricht. Die Slo­wa­ki­sche Repu­blik hat dar­auf sehr hef­tig reagiert und ange­kün­digt, allen slo­wa­ki­schen Bür­ge­rIn­nen, die eine Dop­pel­staats­bür­ger­schaft anneh­men, die slo­wa­ki­sche Staats­bür­ger­schaft zu ent­zie­hen. (Öster­reich hat übri­gens eine ähn­lich rigi­de recht­li­che Posi­ti­on zur Dop­pel­staats­bür­ger­schaft wie die Slowakei.)

Was hat das alles mit der FPÖ zu tun? Das Par­tei­pro­gramm der FPÖ, in dem sehr viel von Volk, Hei­mat und Öster­reich-Patrio­tis­mus die Rede ist, soll­te ja eigent­lich ein Boll­werk gegen absur­de Gebiets­an­sprü­che und Ver­trags­re­vi­sio­nen sein. Spä­tes­tens seit Jän­ner 2010 wis­sen wir zwar von der zar­ten Ver­bin­dung zwi­schen FPÖ und Job­bik, wir wis­sen eben­falls, dass für eini­ge FPÖ­ler Gabor Vona, der Füh­rer von Job­bik und Unga­ri­scher Gar­de, einen fes­ten Platz in ihrem Her­zen bzw. im Face­book-Pro­fil hat. Wir kön­nen uns auch wei­te­re Über­ein­stim­mun­gen gut vor­stel­len, aber war­um soll­ten FPÖ­ler Sym­pa­thien für Großun­garn und unga­ri­sche Gebiets­an­sprü­che auf das Bur­gen­land haben?

Und doch gibt es die­se Sym­pa­thien offen­sicht­lich: Auf einem Chrys­ler Voy­a­ger, der regel­mä­ßig hin­ter dem Par­la­ment parkt, ist ein Großun­garn-Pickerl ange­bracht. Am Mon­tag ent­stieg die­sem PKW der FPÖ-Mit­ar­bei­ter Karl Eggl, Obmann von „SOS Abend­land Wien” und Bur­schen­schaf­ter. Ob der PKW ihm gehört, ist eine offe­ne Fra­ge. Jeden­falls prangt nicht nur das Großun­garn-Pickerl, son­dern auch eines mit „Pri­ma Noc­te“ auf dem Chrys­ler Voy­a­ger – und das ist jener Mit­tel­al­ter-Ver­ein, bei dem Karl Eggl in Kos­tü­mie­rung auch tätig ist.


Großun­garn mit Stephanskrone


Pri­ma Noc­te, ein Mittelalter-Verein